Herbstzeit ist Wellenzeit. Wenn die Tage langsam kürzer werden und starker Wind es draußen ungemütlich werden lässt, entstehen an den Gebirgen Wellen. Dabei pfeift der Wind über die Berge und schwingt sich auf der anderen Seite, ähnlich einer Welle, auf. So können im Segelflugzeug Höhen erreicht werden die sonst nur im Airliner möglich sind.
Perfekte Bedingungen hierfür gibt es in Tschechien im Altvatergebirge an der Grenze zu Polen. Nach ausgiebiger Internet-Recherche und Gesprächen mit anderen Piloten haben Jonas und ich am vergangen Wochenende spontan beschlossen das Ganze einfach mal auszuprobieren. Da das mit Wettervorhersagen immer so eine Sache ist fiel die endgültige Entscheidung zu fahren am Donnerstag-Mittag mit der einhelligen Meinung: “Keine Ahnung, schauen wir mal, wird schon werden“. Und es wurde.
Da uns laut Navi ungefähr 5 Stunden Fahrt bevor standen, trafen wir uns Freitag um 07:00 Uhr in Reinsdorf am Platz um den Duo anzuhängen. Nochmal alles überprüft und los ging’s. Die Fahrt verlief reibungslos bis zur polnischen Grenze. Blind auf das Navi vertrauend trafen wir hier auf die wohl schlimmste Straße die wir beide je gefahren sind. Ich weigere mich das Autobahn zu nennen. Mit teilweise 40km/h arbeiteten wir uns vorwärts, was uns zu der Erkenntnis verhalf:“ über Dresden wäre schneller gewesen.“ Danach lief es wieder super und wir kamen um 15:00 Uhr in Jesenik an. Dort wurden wir herzlich in Empfang genommen und bezogen unsere kleine aber feine Unterkunft. Kurz noch das nötige einkaufen und Abendessen und dann ab ins Bett. Vorm schlafen gehen freuten wir uns noch kurz über den inzwischen sehr starken Wind und stellten unsere Wecker auf 05:00 Uhr.
Von diesem wurden wir dann am nächsten Morgen auch unsanft geweckt. Abfahrt zum Flugplatz, wo wir dann im Windschatten der Halle den Vereins-Duo aufrüsteten. Mit 6 Leuten ging das relativ problemlos, danke an die Helfer. Der Wind war zwar sehr stark, aber auch die Feuchte recht hoch. Dazu kam dass der Rotor der dritten Welle ziemlich genau über dem Platz stand, was spannende F-Schlepps versprach. Nach vielen Gesprächen mit anderen Piloten, die sich alle ähnlich unentschlossen äußerten wie wir und dem Wetter nicht ganz vertrauten entschieden wir uns, es einfach zu versuchen. Getreu dem Motto: “Keine Ahnung, schauen wir mal, wird schon werden“. Der Schlepp war dann relativ harmlos, allerdings viel zu hoch. In 2000m MSL klinkten wir aus, bereits im laminaren Steigen. Und ab dann war genießen angesagt. Wir konnten an mehreren Lentis vorbeisteigen, immer mit ungefähr 1-2m/s.
Immer weiter ging die lautlose Fahrstuhlfahrt nach oben, bis wir die Maximalhöhe des Tages erreichten: 6600m. Für uns beide ein Novum. Wahrscheinlich hätte man noch höher steigen können aber leider führte die eisige Kälte von -25°C dazu, dass unsere Haube innen immer mehr vereiste. Das daher stiegen wir wieder auf ungefähr 5000m ab und folgten stets dem Wellenband. Gegen Nachmittag nahm dann die Feuchte immer weiter zu und unsere Kondition immer weiter ab. Daher entschlossen wir uns zum langsamen Abstieg. Dabei flogen wir durch mehrere kleine Schauer, was uns in unserem Entschluss weiter bestärkte. Der Anflug gestaltete sich dann ebenfalls als harmloser als gedacht und so landeten wir nach knapp 5 Stunden völlig geplättet aber zufrieden wieder am Flugplatz. Dort machten wir den Flieger fertig für die Nacht und konnten sogar noch einen kleinen Moment Flugplatzromantik genießen bevor es dunkel wurde
Der nächste Tag begann wie der letzte um 05:00 Uhr morgens. Als wir zum Sonnenaufgang am Platz ankamen, starteten bereits die ersten Piloten. Wir gingen die Sache etwas ruhiger an, bereiteten den Flieger vor und zogen ihn zum Start. Aufgrund der Masse der Flugzeuge hingen wir um 09:00 Uhr am Seil. Einen Seilriss beim Anschleppen später, ging es dann auch wirklich los. Mit der Erfahrung des Vortages klinkten wir bereits in der Sekundär-Welle wo wir auf knapp 3000m stiegen. Dann flogen wir vor in die Haupt-Welle. In 5000m angekommen entschieden wir uns heute ein bisschen weiter nach Norden vorzuwagen und flogen los. Zweimal flogen wir los, fanden die Welle einfach nicht und flogen jeweils kleinlaut wieder zum Ausgangspunkt zurück. Schon leicht ratlos sagten wir uns aller guten Dinge sind drei und versuchten es erneut. Diesmal gelang es uns eine ganz schwache Welle zu finden mit der wir zumindest leicht stiegen. Auch die anderen Flugzeuge hatten keine bessere Idee, daher wieder zurück in die Primärwelle. Da die Feuchte im Vergleich zum Vortag gesunken war, halfen uns heute keine Lentis den Aufwind zu finden, aber mit dem Wolkenstau im Lee des Gebirges gab es trotzdem unglaubliche Eindrücke
Wieder zurück hörten wir im Funk, dass andere Piloten hier auf 7000m gestiegen waren. Also ein letztes Tagesziel. Und langsam aber stetig näherten wir uns diesem. Gegen 15:00 Uhr lokal war dann die Maximalhöhe erreicht und die Euphorie dementsprechend. Allerdings mussten wir jetzt langsam schon an die Landung denken. Die bürgerliche Dämmerung endet um 16:58 und ein Abstieg aus 7000m dauert lange. So genossen wir ein letztes Mal die unglaubliche Aussicht über das Wolkenmeer und landeten um 16:20 Uhr. Wir verpackten den Flieger wieder im Anhänger und machten uns auf die Heimreise. Ein Wochenende voller unglaublicher Eindrücke und neuer Erfahrungen im Gepäck.
Am Ende möchten wir uns nochmal bei allen Beteiligten bedanken. Dem Aero-Club Berlin für das Flugzeug und alle Piloten, die uns im Vorfeld mit klasse Tipps unterstützten. Und vor allem beim Aero-Club Jesenik für die unkomplizierte und herzliche Organisation des Wellencamps.
Für weitere Infos darüber: http://www.jeswave.cz/
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